Gegen Ende des vorangegangenen Jahres gab der Art Directors Club für Deutschland (ADC) bekannt: „Jan Böhmermann wird Ehrenmitglied“. Zur Begründung konnte man bei HORIZONT lesen: „Der Satiriker erhält die Auszeichnung, weil er mit TV-Beiträgen wie ‚Varoufake’, dem Erdoğan-Schmähgedicht oder ‚Ich hab Polizei’ immer wieder zeige, ‚wie Mut und Kreativität die Welt ein kleines bisschen verändern können.’“ Weiter im Wortlaut: „Laut der offiziellen Jurybegründung des ADC demonstriere Böhmermann mit seiner Arbeit stets aufs neue, welche Macht Kreativität haben kann.“
Was den Mut und die Kreativität von Jan Böhmermann betrifft, mit der er die Welt ein bisschen verändert hat, so muss man wissen: Der Textdichter Jan Böhmermann lebt und arbeitet in Ankara, wo er im türkischen Fernsehen mit schmähenden Versen auf Präsident Recep Tayyip Erdoğan aufgetreten ist. Mit diesem unbändigen Mut und seiner unerschöpflichen Kreativität hat Böhmermann die politische Lage in der Türkei allein durch die Kraft seiner Verse ein kleines bisschen verändert: Der „Ziegenficker“ Erdoğan wurde vom Volk wegen Sodomie abgewählt und der Spötter Jan Böhmermann zu seinem Nachfolger erkoren und gleichzeitig zum kreativen Ehrenbürger von Dönerland ernannt.
Voranstehender Absatz ist natürlich getürkt. Die Wahrheit ist allgemein bekannt und nicht ganz so mutig. Und als Rückendeckung steht hinter Böhmermann sein Auftraggeber das ZDF, also eine öffentlich-rechtliche Anstalt in Deutschland. Und wer darüber nachdenkt, warum der ADC auf die Idee gekommen ist, ausgerechnet Jan Böhmermann zum Ehrenmitglied zu machen, der wird eine Antwort von Spießer Alfons bekommen und also lautend: Jan Böhmermann ist als Person der Öffentlichkeit ein willkommenes Zugpferd für den ADC, das dieser sich vor den eigenen Werbekarren spannen will, um Beachtung zu finden – mit (erhoffter) publizistischer Hilfe von ZDF und anderen Medien.
Wer die Werbeszene beobachtet, der weiß es schon lange: Der Hype um den ADC ist Vergangenheit. Weil der Club der verhinderten Künstler sowohl von Werbern als auch von der Werbung treibenden Wirtschaft nicht mehr so beachtet und ernstgenommen wird, wie Vorstand und Mitglieder es sich erträumen. Darum scheut der ADC offenbar vor nichts zurück, wenn es darum geht, sich wieder mal ins Rampenlicht zu schleichen. Spießer Alfons blickt in die Zukunft und sagt voraus: Als nächstes Ehrenmitglied wird man Donald Trump benennen mit der Begründung, dass der Mann gezeigt hat, dass ein Chauvi mit Geld die Welt verändern kann. Denn ADC ist schließlich die Abbreviatur von: Ansammlung Darstellender Chauvinisten. 😉
Apotheke, Drogerie, Galerie: alles Banane
Es gibt in der freien Wirtschaft drei Geschäftsbereiche, wo Kunden richtiggehend verarscht werden, als dieses sind: 1. Pharmazie, 2. Kosmetik, 3. Kunsthandel. So stehen in den Regalen von Apotheken nicht wenige Produkte, die lediglich einen Placebo-Effekt haben. Und es gibt in Drogerien und Parfümerien diverse Cremes und Tinkturen, die angeblich Cellulite und Falten beseitigen und den Frauen eine ewige Jugend garantieren. Und im Kunsthandel werden Künstler gepuscht und gehandelt, deren hochpreisige Werke so billig sind, dass Spießer Alfons eher die Fotokopie eines röhrenden Hirschen an seine Wand hängen würde als ein Original dieser Scharlatane.
Was das alles mit Werbung zu tun hat, die das Thema dieses Blogs ist? Ganz einfach: Pharma- und Kosmetikprodukte, die so sinnvoll sind wie ein Blinddarm, die werden durch Werbung an leichtgläubige Konsumenten verkauft. Und Künstler, die in Wahrheit genauso viel mit Kunst zu tun haben wie Kunsthonig mit Kunstdünger, diese Spezies gibt es nicht nur in Galerien, sondern auch in den Werbeagenturen. Dort nennen sie sich Art-Direktor, sprich: Kunstdirektor. Und sie haben ihren eigenen Kunstverein gegründet, eben den Art Directors Club, dessen Mitglieder die Werbung hochnäsig von der Tribüne herab begucken.
Der ADC war ursprünglich mal ein Club, wo sich alles um Werbung gedreht hat. Wirtschaftswerbung, wohlgemerkt. Davon haben sich Vorstand und Mitglieder schon seit vielen Jahren mehr und mehr verabschiedet. Der ADC ist ein Verein von egozentrischen Selbstdarstellern, die mit Werbung viel Geld verdienen, wofür sie sich aber insgeheim schämen und weshalb sie nach außen so tun, als wären sie gar keine Reklamefuzzys, die Auftragskommunikation nach Kunden-Briefing erledigen müsssen, sondern als wären sie freie Künstler, die mit der gemeinen Wirtschaftswerbung so gut wie gar nichts zu tun haben. Genauso wenig wie Jan Böhmermann, der vom „Playboy“ zum „Mann des Jahres“ gewählt und von Til Schweiger als „Vollspacko“ tituliert wurde.
ADC = Ansammlung Darstellender Chauvinisten
An dieser Stelle fragt der Spießer aus gegebenem Anlass: Was haben wir eigentlich unter „Werbung“ zu verstehen? Ein Kaufmann, der Werbung auf eigene Rechnung treibt, wird die spießige Frage wie folgt beantworten: „Werbung ist die Darbietung von Botschaften mit dem Ziel, Einstellungen und Handlungen der Adressaten zum Vorteil meines Unternehmens zu steuern!“
Ob Werbung gut oder schlecht ist, kann folglich nur einer entscheiden, nämlich der Auftraggeber selber, und zwar nachdem seine Werbung gewirkt hat oder nicht. Beim ADC sieht man das völlig anders: Ob Werbung gut ist oder schlecht, das entscheiden einzig und allein die Mitglieder des Kunstklubs und niemand sonst. Und so zeichnen ADC-Mitglieder sich auch untereinander aus, was ähnlich ist, wie würden bei einer Miss-Wahl die Misses unter sich votieren, welche von ihnen die Krone der Siegerin auf ihre Frisur bekommt.
Der ADC beurteilt Werbung nicht nach Kreativität + Effizienz, sondern allein danach, ob sie dem eigenen Kreativitätsanspruch entspricht oder nicht. Und das hat mit Werbung in der Realität wenig zu tun, denn Hornbach verkauft seine Waren genauso wie Edeka nicht durch originelle Filme, sondern nach wie vor mit Angebotsanzeigen in Anzeigenblättern und Tageszeitungen – siehe unten! Und nur wenn die Wirkung von „Schweinebauch-Annoncen“ an der Ladenkasse der Märkte positiv ist, können die Firmen sich auch kreative Filme für die Tribüne leisten.
Wozu Spießer Alfons in einer Metapher festhält: Werber sind vergleichbar mit Eiskunstläufern: Zuerst der Pflichtlauf. Und wenn der fehlerlos ist – sprich: sich am Point of Sale auszahlt – dann dürfen die Werber auch einen viralen Kürlauf machen, den böse Zungen wie die von Spießer Alfons gern als Kreationanie bezeichnen.
„Je preiser gekrönt, desto durcher gefallen!“
Und noch etwas: Mut zur Kreativität, den der ADC fordert, diesen Mut müssen die Werber selber gar nicht haben. Sondern deren Auftraggeber, weil die allein ihre Werbungskosten bezahlen müssen. Und viele Kampagnen, die vom ADC mit goldigen Nägeln bedacht worden waren, haben sich hinterher als Flops erwiesen. Weshalb in den Marketing-Abteilungen der Werbung treibenden Wirtschaft häufig der Spruch zitiert wird: „Je preiser gekrönt, desto durcher gefallen!“
Kreativität und Effizienz: Werbung, die der Art Directors Club liebt, und Werbung, die Wirkung erzeugt am Point of Sale:
Fazit: Werber wollen Preise bei Werbewettbewerben erzielen, ihre Kunden an der Ladenkasse des Handels.
Mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen! Schade – eine Ära geht zuende, aber bedeutet hier ja gottseidank einen Neuanfang! Ich freue mich hier die Spießigkeiten weiter verfolgen zu könne und habe mir direkt ein Bookmark angelegt!
Da hat sich aber jemand eine gehörige Portion Frust von der Seele geschrieben. Das klingt alles sehr oberflächlich und polemisch, vor allem aber: verbittert.
Als ADC-Mitglied müsssen Sie so denken wie Sie schreiben. Oder austreten. 😉
Alles Gute und Liebe für diesen Blog. Wunderbar, dass man Sie weiterlesen kann. Der ADC-Beitrag ist grandios.
Herzlichen Dank! Und wenn’s gefällt: Bitte auf Facebook teilen! 😉